Im Mai 2018 reiste eine Delegation der Beruflichen Oberschule (FOSBOS) Ingolstadt nach Volgograd, um dort mit einer örtlichen Schule (MOU SSH Nr. 54) und einer Schule aus dem Moskauer Zentralbezirk (Romanovskaja Schule) ein Partnerschaftsabkommen zu unterzeichnen. Zur Verfolgung eines anderen Zwecks war auch der Oberbürgermeister der Stadt Rostock, Herr Roland Methling, zugegen. Auf seine Initiative hin ist im o.g. Zeitraum mit dem „Innerstädtischen Gymnasium“ in Rostock ein gemeinsames, vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ angeleitetes und mitfinanziertes Projekt in Rossoschka (Kriegsgräberstätte bei Volgograd) und Moskau durchgeführt worden.
Die Partnerschule in Volgograd hat veranlasst, dass beide Gruppen von jeweils fünf Schülerinnen und Schülern plus begleitende Lehrkraft als Voraussetzung für die Visaanträge von der Stadt Volgograd offiziell eingeladen worden sind. Zugleich haben im Vorfeld die schließlich vor Ort eingebundenen Lehrer, Dr. Liebl von der FOSBOS Ingolstadt und Frau Regine Koch vom Innerstädtischen Gymnasium in Rostock, die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landesorganisationen des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ hergestellt. So sind die Schüler bezüglich Grabpflege und Recherchearbeiten für von den Landesverbänden des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ konkret vermittelte Angehörige (im Fall der FOSBOS Ingolstadt handelt es sich um 10 Betroffene) von gefallenen oder vermissten deutschen Soldaten tätig geworden. Während ihres Kennenlernens bei der gemeinsamen Arbeit haben sich zudem auch viele Gelegenheiten für den innerdeutschen Austausch ergeben.
Mit dem Besuch der Kriegsgräberstätte Rossoschka haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die einmalige Gelegenheit erhalten, den Friedhof für die deutschen und für die russischen Soldaten sowie die Friedenskapelle als Verbindung zwischen beiden zu besuchen. Auch heute noch werden Massengräber entdeckt. So ist im September 2018 ein Grab mit den Überresten von 800 Menschen gefunden worden, die inzwischen nach Rossoschka überführt sind. Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ kümmert sich um die Erhaltung der Kriegsgräber. Unter dem Motto In Vielfalt geeint werden für Jugendliche „Begegnungen mit der Geschichte“ organisiert. Mit der Entsendung unserer Schülerinnen und Schüler nach Volgograd hat die Organisation die Möglichkeit geschaffen, dass die Reiseteilnehmer aus Ingolstadt als Multiplikatoren wirken können, da im Namen und im Auftrag von 10 bayerischen Angehörigen die Schüler Gräber und Grablagen sowie die Einträge in die Gedenkbücher dokumentiert haben. Zur grundlegenden Orientierung war dazu eine vom „Volksbund“ organisierte Führung mit einem Umbetter, der auch an der Umbettung der Gebeine des genannten Massengrabes beteiligt war, sehr hilfreich. Für die Verrichtung der Pflegearbeiten hat der „Volksbund“ die in Russland dazu notwendige Genehmigung eingeholt, Anleitung und Arbeitsgeräte hat die Pflegefirma vor Ort zur Verfügung gestellt.
Gleichwohl sind touristische Aspekte nicht zu kurz gekommen, wie etwa die Begehung des Denkmalkomplexes auf dem Mamajev-Hügel zeigt (dort befand sich während der Stalingrader Schlagt der Befehlsstand der sowjetischen Streitkräfte, heute eine extrem groß dimensionierte Gedenkanlage von geradezu sakraler Aura) sowie eine kleine Reise zum Besuch des „Sarepta-Museums“. Sarepta war eine ursprünglich eine Siedlung der „Herrnhuter Brüder“ im Gouvernement Astrachan und zugleich die Keimzelle der Ansiedlung von Deutschen an der Wolga. An sie erinnert heute das Freilichtmuseum Alt-Sarepta in Volgograd. 1892 wurde der Ort als Niederlassung der Herrnhuter aufgegeben. Geblieben war eine deutsche Kirchengemeinde, die 1941 das Schicksal der Deportation mit den übrigen Wolgadeutschen teilte.
Einen abschließenden Aufenthalt in Moskau hat ein dortiger Vertreter des „Volksbundes“, Herr Dmitrij D. Chapij, gestaltet. Er hat relevante Sehenswürdigkeiten der Weltstadt vorgestellt, die in Russland kaum ohne die Erinnerung an die millionenfachen Opfer des Zweiten Weltkrieges angelegt sind.
Besonders auch die gemeinsamen Aktivitäten mit den Vertretern der Volgograder Partnerschule Nr. 54 und der Stadt Volgograd haben unseren Schülern an dem auch für das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland durchaus so besonderen Ort eine historische Problematik nahebringen können, wodurch nicht nur ein Bildungsziel gefördert, sondern prinzipielle Empathie für nach wie vor aktuelle Sensibilitäten eines Gastlandes, dessen internationales Gewicht unbestritten ist, und seiner Bevölkerung geweckt worden ist. Die Verarbeitung der gewonnenen Eindrücke trainiert insofern eine „interkulturelle Intelligenz“, die in einem qualifizierten Berufsleben immer auswahlrelevanter werden wird.
Dr. Markus Liebl